„Wo bleibt der Künstler?“
Markus Mittringer im Gespräch mit Peter Noever
MM: Was ist „der Künstler“ heute? Wie in allen anderen Lebensbereichen auch scheinen bloß die Erfolgsmodelle der Gattung öffentlich zu wirken. Die Frage ist: in welcher „Öffentlichkeit“?
PN: Das gewinnende Lächeln allein reicht in einer Zeit, in der nahezu alles aus den Fugen gerät, aus allen Nähten platzt, vermutlich nicht mehr aus. Kunst heute, hier und jetzt kann die teils dramatischen Dinge, die uns umgeben, nicht einfach ausblenden. Ein zeitgenössischer Akt tut wieder not – jetzt!
MM: Versteht sich der „zeitgenössische Akt“ als Methode?
PN: Eigentlich nicht. Mehr Percept als Konzept. Ich sehe ihn als einen Akt, der dem eigentlichen Wesen der Kunst entspricht, aus freien Gedanken geboren ist, als einen Akt, der Elemente der Überraschung und des Unverbrauchten, des Neuen in sich birgt. Einen solchen Moment des Zeitgenössischen für einen Augenblick einzufangen, darzustellen, darum geht es mir bei den 13 ausgewählten Positionen im prunkvollen Barockambiente des Winterpalais. Um das „Projekt Kunst“ vorantreiben zu können – das ist ja die eigentliche Herausforderung –, bedarf es eines entsprechenden Potenzials an Radikalität, das kein Experiment scheut. Darum geht es, wenn wir über zeitgenössische Positionen in der Kunst sprechen. Damit beschränkt sich eine derartige Kunstpräsentation nicht unbedingt auf das Zeigen von Bekanntem und Vertrautem, sondern eröffnet im Idealfall neue Perspektiven, neue Blickwinkel.
MM: Man spürt in den Studios immer wieder auch Resignation. Mit den Folgen Rückzug oder Erfüllen eines Marktdrucks. Erfolgsmodelle werden dann bestenfalls variiert. Auch das Infragestellen des eigenen Tuns bleibt da oft ausgeschlossen.
PN: Künstler können und müssen sehr wohl die Dinge infrage stellen – wirkungsvoll ist das dann, wenn sie sich von der Gegenwart nicht beirren oder gar betäuben lassen.
MM: Heißt „wirkungsvoll“ subversiv, unterminierend – und/ oder bloß radikal eigenständig?
PN: Die Rolle des Künstlers heute ist mein Anliegen, war es immer.
MM: Ein Rollenbild ist stets von einem Außen (der „Gesellschaft“) vorgegeben bzw. wird im Nachhinein von Historikern rekonstruiert und gedeutet. Wenn Künstler selbst „Rollen“ definieren – wie geht das vor sich: die eigene Haltung als Vorbild? Öffentlichkeit über das Werk hinaus? Alternative Netzwerke? Es bedarf jedenfalls einer radikalen Infragestellung des Begriffs „Karriere“, einer Aushebelung des üblichen Wegs über einen schicken Ort und einen angesagten Kurator direkt in den Auktionsmarkt. Und: Muss man nicht auch den sogenannten Sammler zumindest umpolen? Anleitungen zum „richtigen Sammeln“ boomen – meist im Sinn des Status quo. Das „Profil“ der späteren „Sammlung“ – alles wird vorgegeben –,ist wie ein Ausmalbuch. Jetzt kauf noch beim richtigen Händler, und alles wird gut, Künstler lieben dich, Abendempfänge stehen dir offen, du giltst dann nicht nur als erfolgreich, sondern auch als „engagiert“.
PN: Die Kunst, das Kunstleben, der Kunstbegriff, der Quotendruck, die etablierten Institutionen, Tendenzen der Vereinheitlichung und Konformität, die bürokratische Arroganz, die Kälte der Intoleranz, die Statistiken, das Kosten-Nutzen-Denken … Wo bleibt da der Künstler, der ja der Ausgangspunkt des Ganzen ist, Inspiration und Motiv für diese gigantische, weltumspannende Unternehmung!? Da liegt ein eklatantes Missverhältnis vor!
MM: Angst ist sehr oft bestimmend, Angst, etwas falsch zu machen: den falschen Ort zu wählen, das falsche Medium, die falsche Stimme. Die verbreitete Strategie scheint eher in Richtung „Wie komme ich rein?“ angelegt zu sein denn hinsichtlich eines „Ausbruchs“.
PN: Wenn wir uns etwa die Gemälde von Ignace-Jacques Parrocel im Schlachtenbildersaal des Winterpalais oder Beispiele im Prado in Madrid ansehen, dann können wir feststellen, dass Malerei Gewalt auf eine sonderbare Weise erträglich machen kann; vor allem auch dann, wenn ein großer Zeitraum dazwischenliegt.
MM: Malerei verharmlost, objektiviert, schärft – oder: Malerei hat die Fähigkeit, uns ebenso einzulullen wie jene Propaganda, die Gewalt verharmlost. Die Frage ist dann nur noch der Einsatz dieses beeindruckenden Instruments für welche Idee – oder welchen Auftraggeber –, und da sind Künstler wie Architekten ja nicht eben zimperlich.
PN: „Take it easy“ ist meiner Überzeugung nach weder für Kunst noch für deren Präsentation etwa als „Ausstellung“ ein passendes Credo. Die Intention im Zusammenhang mit der Ausstellung im Winterpalais ist auch, die eingeladenen 13 Künstler zu animieren, sich nicht darauf zu beschränken, Objekte aus ihrem Fundus zu zeigen, sondern tatsächlich auf das Hier und Jetzt, insbesondere auf den speziellen Ort einzugehen – unter Ausreizung aller Möglichkeiten.
MM: Markus Mittringer
PN: Peter Noever
Vienna for Art’s Sake!
Archive Austria/Contemporary Art
Winterpalais | 27. Februar bis 31. Mai 2015
Mit der Ausstellung Vienna for Art’s Sake! wird dem prunkvollen Ambiente der ehemaligen Residenz des Prinzen Eugen von Savoyen erneut zeitgenössische Kunst gegenübergestellt, um den Besuchern neue Perspektiven zu eröffnen. In der Salaterrena des Winterpalais werden 161 kleinformatige Werke des Archive Austria aus der Luciano Benetton-Sammlung Imago Mundi ausgestellt. 13 Künstlerinnen und Künstler wurden zudem eingeladen, je einen Raum im Winterpalais künstlerisch zu gestalten. So setzen sich u. a. Eva Schlegel, Iv Toshain, Manfred Wakolbinger, Hans Kupelwieser und Magdalena Jetelová künstlerisch mit den barocken Räumlichkeiten auseinander.