Art can shake confidence!

Искусство может поколебать уверенность!

Kunst bringt Gewissheiten ins Wanken!

Als es mir vor über 25 Jahren gelungen war, Malewitschs Ikone der Moderne, das „Rote Quadrat“ für eine Ausstellung in Wien zu bekommen, war ich von unfaßbarer Freude, Glück und Stolz erfüllt. Dass nun diese Werke – vor allem der revolutionären Periode der Avantgarde – in dem Museum, das ich damals erst 2 Jahre leitete, gelandet sind, war für mich ein Schlüsselerlebnis, die eigentliche Herausforderung für meine künftige Museumsarbeit. Das ist mir heute mehr denn je zuvor bewußt. Die Ausstellung fand 1988 statt (wurde im Anschluß bei Katalin Néray im Mücsarnok in Budapest gezeigt) Jahre vor der New Yorker Guggenheim-Ausstellung „The Great Utopia. The Russian and Soviet Avant-Garde“, 1992. Wir nannten die Wiener Ausstellung "Kunst und Revolution. Russische und Sowjetische Kunst 1910 – 1932“. Und darin waren nahezu alle maßgebenden Künstler mit Schlüsselwerken vertreten: Tatlin, Popowa, Lebedew, Rodtshenko/Stepanowa, genauso wie Tschernichow, Golossow, Leonidow oder Melnikow.

Als „Wand“ für das „Rote Quadrat“, Kasimir S. Malewitsch, 1915, Öl/Leinwand 53 x 53cm errichteten wir eigens ein über 3 Tonnen schweres, massives unverrückbares Betonfragment (3,50 x 0,40 x 4,20m) inmitten der weitestgehend leeren über 500m2 großen zentralen Ausstellungshalle des MAK, als Ausdruck der Bewunderung und Erinnerung an eine Periode intensiver, alles durchflutender Kunst, die Kraft des Aufbruchs und die Befreiung der Kunst.

Während ich diese Zeilen zu Papier bringe, ereilt mich eine Einladung vom Sibirian Center for Contemporary Art gemeinsam mit dem Siberian Center for the Promotion of Architecture an der Jury des internationalen Wettbewerbs für das Projekt „Avant-Garde Worlds of El Lissitzky“ teilzunehmen. So ehrenhaft es ist, sich mit der russischen Avantgarde nahezu 100 Jahre später auseinander zu setzen, provoziert es natürlich die Frage, wo ist die Avantgarde von heute?

Heute hat sich das Verhältnis zwischen Kunst und Technik, Kunst und Wissenschaft, also Analyse und dem Akt der Gestaltung – wie ich glaube – dramatisch verändert.

Den ganzheitlichen Moment finden wir ausschließlich in der Kunst. Es ist der Künstler, der, wenn überhaupt, die Tiefen und Höhen unseres Zustandes, unserer Gesellschaft erfaßt, in der Lage ist, zu deuten und darauf ohne Umwege zu reagieren. Und das ist in einer Zeit methodisch verdrehter Phänomene wie Globalisierung, Modernisierung oder Hybridisierung von sehr besonderer Bedeutung. Gerade deswegen dürfen wir nicht zulassen, dass unter der Devise „Zeitgeistverträglichkeit“ zeitgenössische Kunst zum Karneval entartet.

Ja, wir müssen ankämpfen gegen die angewandten modischen Gesten der Beliebigkeit.

Kunst bringt Gewissheiten ins Wanken!

Dies mag der Grund sein, dass gerade Politiker Künstlerinnen und Künstler wie den Teufel fürchten. Wohlgemerkt Politiker hier und dort.

Wir sollten alles daran setzen, der Lust und Wut alles synchronisieren zu wollen Einhalt zu gebieten. Also die Kunst verständlich, gefügig zu machen, sie zu domestizieren.

Und jetzt und hier und dort – was passiert da eigentlich ?

Der Kampf zwischen Gut und Böse ?

Amerika mit Filiale Europa contra Post-Sowjetunion und der russischen Föderation ?

Die Präsidenten als Verkörperung des Bösen und des Guten ?

Kann es nicht sein, dass die öffentliche Meinung hier und dort viel differenzierter als die sogenannte öffentliche, veröffentliche Meinung sich darstellt ?

Es entsteht der Eindruck, dass immer mehr Journalisten ihr eigentliches Berufsbild und -ethos an den Nagel gehängt haben – ist es nicht so, dass gerade in diesem Konflkt sich viele unreflektiert auf eine Seite schlagen ?

Wer sind die Autoren, die sich wirklich für die konkreten Verhältnisse interessieren ?

Bitte vortreten !

Das Feld, und hier geht es schließlich um unsere ureigenste Kultur, wenn man das so ausdrücken kann, darf man nicht den journalistischen oder politischen Trittbrettfahrern überlassen !

Ich habe immer die Überzeugung vertreten, dass Museumsarbeit gerade in Europa ohne die Auseinandersetzung zwischen den beiden Polen – wenn man so will – New York und Moskau, ein einschneidendes Versäumnis darstellt.

Gerade heute gilt mein besonderer Respekt den Künstlern und Künstlerinnen in Russland.