günther domenig. the exceptional architect

EXHIBITIONS AND LECTURES WITH GÜNTHER DOMENIG CURATED BY PETER NOEVER

Austria Davaj! The Crest of Creative Austria” – 2011, MUAR, Schusev State Museum of Architecture, Moscow, Russian Federation

Günther Domenig. Graphical Works – 2007, MAK Vienna

Günther Domenig. Structures That Fit My Nature – 2005, MAK Center Los Angeles

Schindler's Paradise. Architectural Resistance – among other internationally renowned architects, Günther Domenig designed a project for the Schindler House – 2003, MAK Center Los Angeles

Günther Domenig. Das Steinhaus – 1988, MAK Vienna

LECTURES AND EVENTS

SCI-Arc (Southern California Institute of Architecture) in collaboration with the Technical University Graz, 2008, Steinhaus, Steindorf, Carinthia, Austria

Opening of the Steinhaus (initiated and organized by Steinhaus-Günther-Domenig-Privatstiftung: Adolf Rausch, Peter Noever, Hannes Pflaum) – 2008, Steindorf, Carinthia, Austria

Günther Domenig. lecture, 2005, MAK Center Los Angeles

Celebration of Günther Domenig’s 70th birthday – laudatio: Thom Mayne (LA/NY), 2004, MAK Vienna

the discursive museum  – symposium, 2001, MAK Vienna

Günther Domenig. Werkbuch – book presentation, 1991, MAK Vienna

Günther Domenig. Thoughts on my archicture – 1988, MAK Vienna

Inaugural speech by Günther Domenig. Lectures by Peter Noever, Frei Otto, Paul Bierman-Lytle, Jean-Marc Lamuniere, Frank Gehry – 1981, Technical University Graz (Poster)

KEY WORKS (in MAK collection since 2007)

Grazer Oper, 1999, 7 drawings & 1 photography

MAK-Terrassenplateau, 1992, 5 drawings

Funder St. Veit, 1987–1988, 2 drawings

Humanic, 1980–1982, 4 drawings

Steinhaus, 1981–1991, drawings and models among other works (more than 30 pieces)

Verleihung des großen Österreichischen Staatspreises 2004
an Günther Domenig

Laudatio / Peter Noever
Dienstag, 3. Mai 2005, 15:00 Uhr

Mein erster Gedanke.

Als ich im Frühjahr 1987 erstmals Günther Domenig auf seiner Baustelle in Steindorf in Kärnten besuchte, dachte ich mir: Welch ein Wahnsinn, nun baut Günther Domenig tatsächlich dieses von ihm erdachte, für eine Realisierung kaum vorstellbare Gebilde, schlitzt die Erde auf, um Wurzeln für seine Architektur zu pflanzen. Und schon damals war für mich, angesichts dieses in den Boden geschlagenen Stückes Architektur, klar, dass die Hitze der Spontaneität, die Wärme des Vitalen mit der Kälte der Berechenbarkeit, mit der Kühle des Machbaren eine Symbiose eingehen. 

Das habe ich 1988 über Günther Domenig gesagt.

Heute ist es mir eine besondere Freude, hier zu stehen, die Laudatio auf ihn zu halten, da ich seine Arbeit von frühesten Tagen an verfolgt habe. Ich sehe ihre große Leistung im bedingungslosen Bekenntnis zum Prozessualen. Das macht sie groß und hebt sie in den Rang der wichtigsten Positionen unserer Zeit.

Seine Ausstellung im MAK, ganz dem damals im Entstehen befindlichen STEINHAUS gewidmet, wurde mit großer Resonanz zwischen November 1988 und Jänner 1989 gezeigt.

Domenig unterbrach sein in allen Details vorausgedachtes Bauvorhaben für seine Ausstellung im MAK. Spezialtransporte - ca. 60 Tonnen Architektur wurden ins Museum transportiert. Kein Stück Ausstellungsdesign war darunter, denn die Objekte aus Stahl, Beton und Blech haben alle ihren spezifischen Platz im Steinhaus.

Aber meine eigentliche Begegnung, abgesehen von der beim Steirischen Herbst, liegt noch weiter zurück: 1974, mit der Errichtung der Z-Filiale in Wien-Favoriten, also vor 30 Jahren. 

Zwischen 1974 und 1979 hat Günther Domenig nämlich ein Bauwerk und Meilenstein geschaffen, das neue Strömungen in der internationalen Architektur provoziert und entscheidend angeregt hat. Dazu Günther Feuerstein:

„Domenig gelingt eine einsame Realisierung: sein Sparkassengebäude wellt, fließt, schuppt, wächst in eine Fußgängerzone.“

Was passierte noch um diese Zeit? Nichts vergleichbares neben dieser Pionierleistung.

Denn erst etwas später realisierte Frank O’Gehry (1978) sein Gehry House in Santa Monica, Kalifornien:

„I wasn’t trying to do an important work: I was trying to build a lot of ideas.“

Tom Mayne gründete 1974 das Architekturbüro MORPHOSIS, welches von Anfang an für neue Verbindungen zwischen Mensch und Natur stand. Greg Lynn (geb. 1964) war damals gerade erst 10 Jahre alt. Und Coop Himmelblau bewegte sich damals innerhalb von anderen Formlösungen.

Mit der Errichtung der Z-Filiale in Wien-Favoriten hat er nicht nur eine Wunde in diese, der Dekoration so verpflichteten Stadt geschlagen, sondern ein Bauwerk geschaffen, das die Entwicklung der Architektur in vieler Hinsicht vorweg genommen hat.

Gleichzeitig hat er dabei eine Formensprache entwickelt, die eigentlich erst heute mit moderner Computertechnik realisierbar geworden ist.

Architektur ist Einspruch gegen die Vergänglichkeit, gegen Willkür und Beliebigkeit. Sie ist Widerstand und Experiment in Einem. Und wie kein anderer verkörpert Günther Domenig diese Qualität der Architektur, das Beharren auf dem Unhaltbaren.

Wohl am eindrucksvollsten in Szene gesetzt hat er das mit seinem schonungslosen Eingriff, mit seiner Intervention auf dem Reichstagsgelände in Nürnberg: Hier werden Eingriff und Widerstand zu einer überzeugenden Einheit. Hier wird Architektur all ihrer modischen Attribute entkleidet. Sie wird zum Manifest einer künstlerischen Ethik. 

Nürnberg auf der einen Seite, das Steinhaus in Kärnten auf der anderen, die beiden Extreme, die Günther Domenig schon „ein Leben lang“ beschäftigen: 

Die Masse, das Material, seine meisterhafte Handhabung, vor allem aber auch sein Bekenntnis zum bedingungslosen Experiment.

Bauen bedeutet für ihn immer, den Widerspruch auszutragen und ihn nicht der Harmonie, dem Effekt zu opfern, ihn also nicht desavouieren oder gar eskamotieren.

Mit dem Steinhaus hat er sich unnachgiebig einen Ort des Rückzugs geschaffen, ein einzigartiges Laboratorium. Dieses urbane Gefüge steht -  „gleich einer Apokalypse“ - in krassem Widerspruch zu aller ihn umgebenden Konvention. Dieses Haus, nicht zuletzt ob seines Charakters als prozessuale Architektur, als Work-in-Progress, ist bis heute Avantgarde geblieben. Das Steinhaus bleibt angesichts seiner Unabschließbarkeit Utopie. Seine Realisation muß also den Abbruch in Kauf nehmen, was sein Werk zu einer Allegorie menschlicher Existenz werden läßt. 

Domenig hat sich nicht zum „Star“ machen lassen, hat nie etwas verkündet. Gewalt, „außer gegen sich selbst“, ist ihm, wie jede andere Form der Monumentalität gänzlich fremd. Das zeigt sich sowohl in seiner Architektur als auch in seiner Lehre.

Indem er sich der Achtung vor dem Anderen verpflichtet, den Menschen ebenso wie ihrer Natur, geht Domenig einen sehr einsamen Weg:

Der Erkenntnis nur dort bedingungslos zu folgen, wo sie realen, in der Wirklichkeit verwurzelten Bedürfnissen entspricht, ist keine taugliche Art der Karriereplanung in einer Wirklichkeit, deren einzige Klammer durch die unreflektierte Sensation gebildet wird.

Auf die demonstrative Geste zu verzichten und statt dessen die Sinnlichkeit des Denkens herauszufordern, war immer sein Anliegen.

Das ist nicht populär. Das macht nicht populär.

Weil Architektur Einspruch ist, beginnt sie mit dem Denkmal.

Dass sie nichts anderes könne und daher Gefahr läuft, letztlich das Lebendige durch das Denkmal zu ersetzen, dagegen erhebt die Arbeit Günther Domenigs massiven Einspruch.

Bei diesem Anlaß ist einmal mehr - und diesmal mit Nachdruck - darauf aufmerksam zu machen, daß Günther Domenigs Bankgebäude „Z“ in Wien-Favoriten seit längerer Zeit zugesperrt ist und damit seiner Funktion enthoben. Es fristet eine unwürdige Existenz als ein Gespenst vergangener Zeiten. Diese Pionierleistung verkümmert tatsächlich in einer Stadt, die man weltweit mit großer Architektur in Verbindung bringt. Nicht zuletzt deswegen ist es unhaltbar, die Stilllegung weiterhin zuzulassen. Die Sprache, die Domenig mit diesem Bau erdacht und erkämpft hat, darf nicht verstummen. Eine Petition von fünfzehn Weltgrößen der Gegenwartsarchitektur, von Ando bis Gehry, soll auf diese traurige Situation nachdrücklich aufmerksam machen.

Diese Petition wird nach meiner Einleitung im Original an den Direktor der Bank Austria überreicht und in Kopie an den Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel. Wir hoffen, damit ein trauriges Schicksal abwenden zu können, ein Schicksal, das in den siebziger Jahren dem Wittgenstein-Haus in der Kundmanngasse widerfahren ist. Zuerst dem Abriß freigegeben, konnte es gerade noch durch den Ankauf seitens der Bulgarischen Botschaft gerettet werden. Seitdem steht Wittgensteins gebaute Philosophie im Schatten kultureller Halbherzigkeit und führt eine entfremdete Existenz. Doch das darf mit Domenigs Werk nicht geschehen. Es ist dem Zweck gewidmet und zugedacht, eine Bankfiliale zu sein. Eine Umwidmung würde den künstlerischen Gehalt dieses Werkes preisgeben - aus einem Meilenstein eine hohle Farce, eine Attrape machen - und eine verheerende Botschaft über Architektur im allgemeinen nach sich ziehen: daß nämlich Architektur ein zweckneutraler und somit aussageloser Raum wäre, frei zu jeder noch so beliebigen Zweckzuweisung. Solche Beispiele häufen sich, man denke nur an den Graben und den Einzug eines schwedischen Diskonttextilkonzerns.

Domenig will das Haus als Haus. Nicht als Ruhmesstätte oder Werbeplattform. Dieser Elementarismus, der an Wittgenstein erinnert, ist das Herz seiner künstlerischen Leidenschaft, die Wahrheit und Wahrhaftigkeit seines Werkes. Und er ist die Garantie gegen jede Art von Versuchung und Vereinnahmung.

Anekdote Thom Mayne.

Ferrari 328 GTS F106 über Gerhard Berger nach Österreich geholt.

Wie auch immer. Das mag bezeichnend sein für Günther Domenig und seinen Sinn für Humor und Ironie. Bezeichnend dafür, dass er sich nie zufrieden gibt, dass er immer noch das sucht, das ihm fremd ist. Domenig verteidigt die Würde des Vorläufigen und warnt vor der architektonischen Dogmatik des Endgültigen. Sein Steinhaus wird immer ein Stein des Anstosses bleiben, ein Ort der Denkanstösse, der immer neue Möglichkeiten eröffnet.

Heute erweisen wir dem unbeirrbaren, dem kämpferischen, immer provokant und lustvoll agierenden Günther Domenig unsere Reverenz und bekunden unsere Bewunderung und Liebe.